Kei­ne Aus­wei­sung von Dr. Dilay Banu Büyü­kav­ci und Musa Demir


DIE LINKE.

im Stadtrat

07.01.2021

Kei­ne Aus­wei­sung von Dr. Dilay Banu Büyü­kav­ci und Musa Demir

Sehr geehr­ter Herr Oberbürgermeister,

die Dring­lich­keit des Antrags ist gege­ben durch die Eröff­nung der Aus­wei­sungs­ver­fah­ren gegen Frau Dr. Büyü­kav­ci und Herrn Demir durch die Nürn­ber­ger Aus­län­der­be­hör­de, obwohl das Urteil des Ober­lan­des­ge­richts Mün­chen noch nicht rechts­kräf­tig ist.

Frau Dr. Büyü­kav­ci (Fach­ärz­tin für Psy­cho­so­ma­ti­sche Medi­zin und Psy­cho­the­ra­pie tür­ki­scher Her­kunft, seit 2006 in Deutsch­land lebend) und Herr Demir (Metall­fach­ar­bei­ter kur­di­scher Her­kunft, seit 1978 in Öster­reich lebend) wur­den am 28.07.2020 vom Ober­lan­des­ge­richt Mün­chen zu mehr­jäh­ri­gen Frei­heits­stra­fen ver­ur­teilt. Den Ange­klag­ten wur­de die Mit­glied­schaft in der tür­ki­schen Split­ter­par­tei TKP/ML, inklu­si­ve des Sam­melns von Geld­spen­den für die Par­tei und die Orga­ni­sa­ti­on von Ver­samm­lun­gen vorgeworfen.
In Deutsch­land ist die TKP/ML nicht ver­bo­ten und sie wird auf kei­ner Ter­ror­lis­te der EU geführt.
Das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz schreibt 2018 über die TKP/ML: “Auf­ru­fe zur Anwen­dung von Gewalt bezie­hungs­wei­se die Durch­füh­rung von Gewalt­ak­tio­nen in Deutsch­land sind jedoch nicht bekannt. Eben­so lie­gen kei­ne Anhalts­punk­te dafür vor, dass sich die­se Pra­xis in Zukunft ändern könn­te. Viel­mehr wird Deutsch­land auch zukünf­tig als Akti­ons­raum für Pro­pa­gan­da­ak­ti­vi­tä­ten sowie zur Samm­lung von Spen­den­gel­dern genutzt werden.”

Nach § 53 des Auf­ent­halts­ge­set­zes der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land kön­nen Aus­län­der aus­ge­wie­sen wer­den, wenn deren „Auf­ent­halt die öffent­li­che Sicher­heit und Ord­nung, die frei­heit­li­che demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung oder sons­ti­ge erheb­li­che Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gefähr­det…“, was bei Frau Dr. Büyü­kav­ci und Herrn Demir in kei­ner Wei­se der Fall ist.
Im Gegen­teil: Frau Dr. Büyü­kav­ci z.B. behan­delt seit Jah­ren am Kli­ni­kum Nürn­berg trau­ma­ti­sier­te Patient:innen. Eine Aus­wei­sung wäre ein Nach­teil für die Stadt­ge­sell­schaft und folg­lich nicht in ihrem Interesse.

In der Repu­blik Tür­kei ist die TKP/ML ver­bo­ten und wird vom Staat als ter­ro­ris­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on ein­ge­stuft. Eine Aus­wei­sung und Abschie­bung der Betrof­fe­nen in die Tür­kei wür­de folg­lich zur unmit­tel­ba­ren Ver­haf­tung führen.
Fol­ter ist in der Tür­kei gesetz­lich ver­bo­ten. Trotz­dem haben die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen Human Rights Watch und Amnes­ty Inter­na­tio­nal in den letz­ten Jah­ren mehr­fach Berich­te über unhalt­ba­re Zustän­de und Fol­ter in tür­ki­schen Gefäng­nis­sen dokumentiert.

Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge zählt 2020 die Tür­kei nicht zu den siche­ren Herkunftsstaaten.
Auf eine klei­ne Anfra­ge im Bun­des­tag nach Kennt­nis­sen der Bun­des­re­gie­rung über Miss­hand­lun­gen oder Fol­ter von Gefan­ge­nen in tür­ki­schen Gefäng­nis­sen sowie in Gewahr­sam von Poli­zei, Mili­tär oder Geheim­diens­ten lau­te­te die Ant­wort: “Der Bun­des­re­gie­rung lie­gen nicht veri­fi­zier­ba­re Berich­te von Ein­zel­per­so­nen und Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen (NRO) vor, die Vor­wür­fe von Fol­ter- und Miss­hand­lun­gen in tür­ki­scher Haft enthalten.”(Drucksache 19/8484 vom 18.03.2019).

Und auf die Fra­ge, wie die Bun­des­re­gie­rung Vor­wür­fe von Oppo­si­ti­ons­par­tei­en und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen über Fol­ter und Miss­hand­lun­gen in tür­ki­scher Haft bewer­ten, lau­te­te die eben­so alar­mie­ren­de Ant­wort: “Die Bun­des­re­gie­rung nimmt Berich­te über Miss­hand­lun­gen in Haft sehr ernst und ver­folgt das The­ma mit gro­ßer Auf­merk­sam­keit. Hier­zu steht sie unter ande­rem mit Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern von NRO­en in regel­mä­ßi­gem Kon­takt. Die recht­staat­li­che Behand­lung der von Straf­ver­fol­gung Betrof­fe­nen spricht die Bun­des­re­gie­rung regel­mä­ßig gegen­über der Tür­kei sowie in geeig­ne­ten inter­na­tio­na­len Foren an.”

In Arti­kel 3 der UN-Anti­fol­ter­kon­ven­ti­on, die von Deutsch­land rati­fi­ziert wur­de, heißt es:
“1. Ein Ver­trags­staat darf eine Per­son nicht in einen ande­ren Staat aus­wei­sen, abschie­ben oder an die­sen aus­lie­fern, wenn stich­hal­ti­ge Grün­de für die Annah­me bestehen, dass sie dort Gefahr lie­fe, gefol­tert zu werden.

2. Bei der Fest­stel­lung, ob sol­che Grün­de vor­lie­gen, berück­sich­ti­gen die zustän­di­gen Behör­den alle maß­geb­li­chen Erwä­gun­gen ein­schließ­lich des Umstands, dass in dem betref­fen­den Staat eine stän­di­ge Pra­xis gro­ber, offen­kun­di­ger oder mas­sen­haf­ter Ver­let­zun­gen der Men­schen­rech­te herrscht.”

Und auch in § 60 des Auf­ent­halts­ge­set­zes ist das Ver­bot der Abschie­bung (in Fol­ge einer Aus­wei­sung) thematisiert:

“(1) … darf ein Aus­län­der nicht in einen Staat abge­scho­ben wer­den, in dem sein Leben oder sei­ne Frei­heit wegen sei­ner Ras­se, Reli­gi­on, Natio­na­li­tät, sei­ner Zuge­hö­rig­keit zu einer bestimm­ten sozia­len Grup­pe oder wegen sei­ner poli­ti­schen Über­zeu­gung bedroht ist”.

Des­halb stel­len wir den Antrag, dass der Stadt­rat bzw. der Feri­en­aus­schuss beschließt:

Die Stadt Nürn­berg setzt sich dafür ein, dass Dr. Dilay Banu Büyü­kav­ci und Musa Demir nicht aus­ge­wie­sen werden.

Mit freund­li­chen Grüßen
Özlem Demir Kath­rin Flach Gomez Titus Schül­ler