DIE LINKE.
im Stadtrat
26.04.2021
Umbenennung der Wissmannstraße und des Wissmannplatzes
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Stadtratsgruppe DIE LINKE stellt folgenden Antrag:
Die Stadt Nürnberg beschließt die Umbenennung der Wissmannstraße und des Wissmannplatzes.
Begründung:
Die Wissmannstraße im Stadtteil Ziegelstein wurde 1937 (!) nach dem Offizier Hermann von Wissmann (1853–1905) benannt, der von 1888 bis 1891 als Reichskommissar und von 1895 bis 1896 als Gouverneur von “Deutsch-Ostafrika” eingesetzt war. “Deutsch-Ostafrika” bezeichnete von 1885 bis 1918 eine deutsche Kolonie in Afrika auf dem Gebiet der heutigen Staaten Tansania, Burundi und Ruanda in einer Größe von ca. 995.000 km², in der annähernd 7,75 Millionen Menschen lebten. Das Deutsche Reich hatte vor allem ein wirtschaftliches Interesse an der Kolonie und betrieb die Ausfuhr, bzw. den Raub insbesondere von Elfenbein und Kautschuk.
1888 wehrte sich die einheimische Bevölkerung in den Küstengebieten gegen die Besatzungsmacht, weshalb Reichskanzler Otto von Bismarck Hermann von Wissmann als Reichskommissar und Befehlshaber einer Streitmacht gegen die “Aufständischen” einsetzte.
In einer Rede vor dem Reichstag erläuterte Wissmann Anfang 1889 seine Pläne: “Mit Güte und Nachgiebigkeit seien die Schwierigkeiten niemals zu beseitigen, Verhandlungen kämen für ihn daher nicht in Frage, nur mit Gewalt könne ‘den Aufständischen eine gründliche Lehre erteilt und unser in Ostafrika schwer geschädigtes Ansehen wiederhergestellt’ werden.” (alle Zitate aus: Morlang, Thomas: “Finde ich keinen Weg, so bahne ich mir einen.” Der umstrittene “Kolonialheld” Hermann von Wissmann, in www.kopfwelten.org).
Bei der Niederschlagung des Aufstandes veranstaltete Wissmann regelrechte Massaker an den Einheimischen, ließ eroberte Ortschaften plündern und in Brand setzen, verwüstete die Felder und erlang so den zweifelhaften Ruhm, als erster in einem Kolonialkrieg die Taktik der “Verbrannten Erde” angewandt zu haben.
Selbst Zeitgenossen kritisierten das Vorgehen: Gustav Michahelles, Generalkonsul auf Sansibar, bezeichnete Wissmanns Herrschaft als “Militärdiktatur”, der Konteradmiral Karl August Deinhard, der vor Wissmanns Eintreffen in der Kolonie mit der Bevölkerung einen Waffenstillstand geschlossen hatte, beschrieb Wissmann als Offizier, der “nur sich selbst anerkennt, alles hängen will” und “vom Größenwahn völlig verblendet” sei.
Der Reichstagsabgeordnete Eugen Richter bemerkte sarkastisch zu Wissmanns Kriegsführung der “Verbrannten Erde: “… das ganze nennt man … Kultur und Gesittung nach Afrika tragen”.
In Übereinstimmung mit einem Anlieger der Wissmannstraße, der uns auf den zweifelhaften Namensgeber aufmerksam machte, halten wir eine Umbenennung der Wissmannstraße und des Wissmannplatzes für überfällig.
Bei Bedenken wegen eventueller Kosten für die Anlieger, ist eine Umbenennung analog dem Vorgehen der Stadt Hannover denkbar, die die Straße 2010 nach dem Arbeiter, Gewerkschafter und KPD-Mitglied Hermann Wissmann benannte, der am 24.01.1902 in Ludwigsburg geboren wurde und am 08.04.1933 im Konzentrationslager Heuberg (Schwäbische Alb) starb.
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